Um es vorweg zu nehmen, dies soll keine Anleitung zu den ohnehin schon sehr guten Beschreibungen dieses Vorganges sein, die man im Netz so findet (bei pelikanparts.com oder sportwagen-club.de).
Dies soll vielmehr eine Ergänzung bzw. ein Erlebnisbericht des Vorganges sein, der dem Leser helfen soll, sich die Probleme, die dabei entstehen können, vor Augen zu führen.
Wer nun also mit dem Gedanken spielt, das Ventilspiel an seinem 911er selber einzustellen, der möge sich folgende Abhandlung durchlesen und danach erneut entscheiden.
Das Tolle am 3,2 ist die für die damalige Zeit fortschrittliche und
ausgeklügelte Technik. Diese macht den 911er wartungsarm, hilft beim
Kraftstoffsparen und ist dabei so voluminos geraten, daß der Motorraum
erstmal so richtig voll ist.
Zwar nicht so ganz voll, so daß man hier und da nicht noch ein bischen
reinfassen kann, aber grad so voll, daß man eben die zu reparierenden
oder einzustellenden Teile nicht ohne die Demontage anderer Teile entnehmen
kann.
Ein weiterer toller Punkt am 911 ist die niedrige Wagenhöhe, der flache Aufbau des Motors und die geringe Bodenfreiheit. Dies verschafft dem ganzen "Gestell" die Möglichkeit, atemberaubende Kurvengeschwindkeiten zu erzielen, kann aber nach einem Tag im Motorraum krasse Rückenschmerzen bereiten.
Aber genug des Jammerns, wir haben es nicht anders gewollt.
Nachdem der Entschluß, das Ventilspiel selbst einzustellen gereift ist, besorgt man sich einen Ventildeckeldichtungssatz (mit allen Stoppmuttern und den Dichtringen für die Ablaßschrauben des Öltanks und des Motorgehäuses), einen Satz Zündkerzen, eine ausreichende Menge frisches Motoröl, einen neuen Ölfilter, viele saubere Lappen und ein paar Pflaster.
Den Ölwechsel sollte man bei der Gelegenheit gleich mit vornehmen, da dem Hobbymechaniker beim Öffnen der Ventildeckel ohnehin eine nicht zu vernachlässigende Menge Öl entgegenschwappt. Sowas nennt man dann "ungeplanter Teilölwechsel". Beim geplanten Ölwechsel läuft diese Menge Öl dann wenigstens koordiniert und geordnet über eine vorher bekannte Öffnung ab, während sie beim Abheben des Ventildeckels garantiert da ablaufen würde, wo der Behälter im Moment nicht steht.
Bei den weiteren Ausführungen gehe ich davon aus, daß man Werkzeug, einen anständigen Wagenheber oder Besseres und das restliche Zeug, das in einer aus der Erfahrung entstandenen Hobbywerkstatt zur Verfügung hat.
Dann kommt der angenehmeste Teil der Aktion: Das Warmfahren.
Wir fegen also mit unserem Kurvenkratzer nochmal durch die Gegend und achten dabei durch übertriebene Drehzahlorgien darauf, daß der komplette Hinterwagen bis zum Targabügel und der Vorderwagen im Bereich des Ölkühlers etwas mehr als sehr heiß ist, ohne daß der Lack jedoch Blasen wirft. Bei dieser Gelegenheit können wir auch gleich die korrekte Funktion des Drehzahlbegrenzers überprüfen.
Hat man den richtigen Betriebszustand zum Ablassen des Öles erreicht und die bevorstehende Arbeit lange genug verdrängt, heißt es aber endlich: Ans Werk.
Wir stellen den immer noch heißen, ziemlich heftig knisternden Elfer mit den Rädern auf vier gleich große Holzklötzchen von ca. 15 cm Höhe. Diese Höhe hat sich bei mir bewährt um erstens die Kreuzschmerzen zu vermeiden und zweitens den Auffangbehälter für das Öl unter den Wagen zu bekommen. Dabei ist natürlich zu beachten, daß der Wagen in der Waage steht, das heißt, die gedachte Linie zwischen vorderem und hinterem Radmittelpunkt steht senkrecht zum von dieser Linie zum Erdmittelpunkt gefälltem Lot. Diese Betrachtung findet ohne Richtscheit und Senkel statt, da sich sonst die Nachbarn vor Lachen krümmen. Erfahrungsgemäß reicht gesundes Augenmaß bei der Ausrichtung des Fahrzeuges auch aus.
Anschließend begeben wir uns mit einem geeigneten Behältnis unter das Fahrzeug und lösen die Ablaßschraube am Motorgehäuse und am Öltank. Dabei sind zwei Punkte zu beachten.
Punkt 1:
Wir haben das Gerät ja gründlich warmgefahren, somit wird die
Brühe, die uns gleich über die Hände läuft auch etwas
wärmer sein.
Punkt 2:
Wer sich erst nach dem Lösen der Schraube über die
Behältergröße Gedanken macht und dabei auf dem bereitgestellten
Auffangbehälter die Aufschrift "Fassungsvermögen 5 Liter" entdecken
sollte, wird innerhalb kürzester Zeit ein Problem haben und sollte auf
der Liste der benötigten Werkzeuge und Hilfsmittel auch
"Ölbindemittel" stehen haben.
Punkt 3: Auch Ablaßschrauben gehorchen den Gesetzen der Schwerkraft. Den Beweis liefert das dumpfe "Pflutsch", das die Schraube macht, wenn sie in der heißen, leicht schwappenden Brühe versinkt. Vorsicht: Die Folgen der Schwerkrafteinwirkung treffen besonders zuverlässig zu, wenn Punkt 2 schon eingetroffen ist.
Sollte die Entwicklung des Vorganges bis hierhin gediehen sein und Punkt 2 nicht eingetreten sein, kann man den Ölstrahl getrost sich selbst überlassen und den Öltank bzw. das Motorgehäuse richtig austropfen lassen.
Diese Zeit kann dazu genutzt werden, im Motorraum von oben her genügend Platz zu schaffen, um an die Ventile zu kommen.
Zu diesem Zeitpunkt möchte ich jede Reparaturanleitung zu diesem Fahrzeug schon im Vorwort mit dem Satz "Am Besten, Sie bauen erstmal alles aus" ergänzen.
Wir entfernen also alles, was uns den verletzungsfreien Zugang zu den Ventildeckeln verwehrt. Dabei muß nicht alles entfernt werden, was ich dabei so entfernt habe. Aber es erleichtert das Arbeiten mit normalgroßen Händen ungemein. Der Umfang der Aufräumarbeiten hängt also direkt mit der Handgröße des Schraubers zusammen.
Wir demontieren:
Heizungsgebläse
Verteiler und Zündkabel
Luftfilter
Weil wir grad so dabei sind und wir ohnehin einen Öl- und Filterwechsel
mit eingeplant haben, schrauben wir auch noch den Ölfilter ab.
So sieht die Gegend schon viel übersichtlicher aus und man erkennt tief unten im Motorraum nun auch schon den mattsilbernen Schimmer der oberen Ventildeckel.
Die unteren Ventildeckel sind leichter (aber nur von unten) zugänglich. Dazu muß fast nichts entfernt werden. Gut, beim Kat-Modell steht Dieser der Aktion schon arg im Weg, aber hier hilft nix. Das Entfernen des Auspuffs verbietet sich auf jeden Fall. Auf der Beifahrerseite kann man sich das Leben etwas erleichtern, wenn man den Schlauch, der vom Ölkühler zum Vorratsbehälter führt ,entfernt.
Nun lösen wir die Muttern auf den Stehbolzen des unteren Ventildeckels. Dabei hilft es, die über die Muttern hervorstehenden Enden der Stehbolzen mit Rostlöser einzusprühen und kurz mit einer Drahtbürste abzubürsten. Dies kann man mit ruhigem Gewissen mehrere Male vornehmen. Trotzdem wird es sich wahrscheinlich nicht vermeiden lassen, daß der eine oder andere Stehbolzen aus dem Zylinderkopf mit der Mutter herausgedreht wird. Dies trifft meist aber nur für die Stehbolzen der unteren Ventildeckel zu. Die oberen Stehbolzen geben sich mit etwas weniger Leidenschaft dem Rostfraß hin.
Beim Öffnen der Ventildeckel ist es empfehlenswert, wenn sich der Motor bereits wieder etwas abgekühlt hat, da sich die Stehbolzen leichter aus einem warmen Motor ausdrehen lassen, als aus einem Kalten. Unterschiedlicher Wärmeausdehnungskoeffizient und so.
(Beim Lösen der Muttern hilft es auch, diese nicht in einem Zug abzuschrauben, sondern auch mal ein bischen hin- und herzudrehen).
Nach dem Lösen der Muttern sind die Ventildeckel relativ leicht abzuheben. Es kann sein, daß man den einen oder anderen Deckel mit einem Kunststoffhammer gut zureden muß, aber im Regelfall sind die Deckel leicht abzuheben.
Nun ist der Blick frei auf die schmalen Taschen, in denen die Kipphebel pflichtbewußt ihrer Arbeit nachgehen. Nichtgeübten wird dieser Anblick ein kurzes Wow entlocken, denn die Hebel bieten schon einen höchttechnisch wirkenden Anblick.
Nun müssen wir uns über die Abläufe der Ventilsteuerung im Klaren werden. Die oberen Reihen der Kipphebel und Ventile sind für die Einlaßöffnungen zuständig. Die Unteren (bei denen die Stehbolzen mit rausgehen) sind die für die Auslaßöffnungen der Zylinderköpfe.
Um nun das Ventilspiel zu erfühlen bzw. einstellen zu können, müssen wir den jeweiligen Kolben des betroffenen Zylinder auf seinen oberen Totpunkt stellen. Dies machen wir, indem wir die Kurbelwelle des Motors mittels Ringschlüssel im Uhrzeigersinn drehen. Drehen ist gut, aber wohin. Nun, wir drehen die Kurbelwelle, bis der Verteilerfinger auf die Kerbe am Verteilergehäuse zeigt. Dies ist die große Orientierung. Die feinere Orientierungsmöglichkeit ist die Kerbe in der Riemenscheibe. Diese muß mit der Markierung im Gehäuse des Axiallüfters unten fluchten. Dann haben wir den OT des Zylinders Nr. 1. Und zwar den Zünd-OT, welcher zum Einstellen des Ventilspieles benötigt wird.
Jetzt müßten beide Kipphebel merkliches Spiel aufweisen. Dieses Spiel sollte 0,1 mm betragen. Diese 0,1 mm erfühlen wir mit einer Spaltlehre. Die Lehre muß mit dem 0,1 mm Blatt satt in den Zwischenraum gesteckt werden können, aber kein Spiel mehr haben. Sehr leicht gesagt, in den engen Aussparungen der Gehäuse aber eher eine Beschäftigung für Entfesselungskünstler.
An dieser Stelle kann es auch gut sein, daß wir das erste Pflaster benötigen, da wir uns beim Schieben der Spaltlehre sehr gut an der Kante des Federbleches die Finger aufschneiden können. Den Zeitpunkt der ersten Verletzungen sollte man ürigens zeitlich so weit als möglich nach hinten verlagern, weil die Einstellarbeiten mit einem gepflasterten Finger nicht einfacher werden.
Das Spiel der Kipphebel wird über die Stiftschraube im Kipphebel eingestellt, welche mit der flachen Mutter auf dem Kipphebel gekontert wird.
Eigentlich ein harmloser Vorgang: Spiel fühlen, einstellen, neu fühlen, neu einstellen, neu fühlen, neu einstellen, neu fühlen.......
Nun ist der zweite Zylinder an der Reihe. Wir stellen Diesen durch Drehen der Kurbelwelle auf den Zünd-OT und gehen analog zu Zylinder 1 vor. Das Drehen der Kurbelwelle geht übrigens deswegen so leicht, weil wir vorher die Zündkerzen entfernt haben, so daß die Kolben und Zylinder keine Kompression der in den Zylindern befindlichen Luft vornehmen können.
Für die OT-Stellungen der einzelnen Zylinder (die Zylindernummern und die Zündreihenfolge findet man auf den kleinen Aufklebern am Heckabschlußblech) sind weitere Markierungen auf der Riemenscheibe der Kurbelwelle angebracht.
Wenn wie oben beschrieben die Spiele aller Ventile eingestellt wurden, kann man wieder daran denken, den Motor wieder zu verschließen.
Die ausgedrehten Stehbolzen sollten wieder ins Gehäuse eingeschraubt werden, die Dichtflächen von Deckel und Gehäuse sind zu reinigen und die neuen Dichtungen sind leicht geölt aufzulegen. Die Deckel werden aufgelegt und mit den Muttern handfest angezogen. Dabei ist bei den oberen Öffnungen Sorge zu tragen, daß keine Fremdkörper in den Motor fallen können. Und obwohl bei Reparaturen immer Kleinteile übrigbleiben, ist es doch beruhigend zu wissen, woher diese genau stammen. Dies trifft insbesondere für die Muttern und die Scheiben der Stehbolzen zu.
Sind die Muttern mit einer kleinen Ratsche leicht angezogen, gilt es nun, die Stehbolzen mit einem Drehmomentschlüssel auf die richtige Klemmkraft zu bringen. Das vorgeschriebene Moment wird mit 10 Nm angegeben, also ziehen wir die Muttern von innen nach außen und "über Kreuz" mit einem Drehmomentschlüssel an. Sehr wichtig ist es hierbei, keine Mutter zuvergessen und den Drehmomentschlüssel auf der Fahrerseite (hier ist der Kat im Weg) überhaupt ansetzen zu können.
Alles gut?
Dann kann das neue Motoröl eingefüllt werden. Dazu müssen wir erst die Verschlußschrauben aus dem Behälter mit dem Altöl fischen, neue (nein, wir verwenden nicht die, die wir grade aus der Ölbrühe gefischt haben) passende Dichtringe auf die gereingten Verschlußschrauben fädeln und diese einschrauben. Ist dies geschehen, kann das neue Öl eingefüllt werden. Vorher wurde natürlich der neue Ölfilter angebracht und auch die Schlauchverbindung von Ölkühler zu Vorratsbehälter wieder dicht hergestellt, sonst kann es leicht sein, daß die bereitgestellte Ölmenge und das vorrätige Ölbindemittel nicht ausreichend.
Beim Einfüllen des Öles ist fast nichts zu beachten. Man darf nur nicht den Ölpeilstab in den Öltank fallen lassen (Tankwarte werden jetzt wissen, wovon ich spreche).
Nachdem so muntere 12 Liter Öl in den Tank geplätschert sind, kann man den Rest der Teile, die man vorher aus dem Motorraum entfernt hat, wieder in umgekehrter Reihenfolge einräumen. Falls man sich die Reihenfolge nicht mehr erinnern kann, hat man hier Gelegenheit zum Üben.
Mittlerweile befinden sich wieder alle Teile im Motorraum, sind ordnungsgemäß angeschlossen und das ganze sieht schon wieder recht ordentlich aus. Daß wir die Zündkerzen zuallererst hätten einbauen sollen, wissen wir nun auch, da wir dies erst beim Montieren der Zündkabel bemerkt haben.
Aber ansonsten ging alles reibungslos vonstatten und wir lassen zufrieden unseren Blick über die vielen neuen glänzenden Schrauben schweifen, in der Hoffnung, doch auch kein austretendes Öl zu entdecken. Wenn es jetzt schon tropft, dann sollten wir nochmals zum Anfang dieser Beschreibung zurückkehren. Allerdings wird hier zur Strafe der Arbeitsgang "Warmfahren" wegfallen müssen.
War dem nicht so, kann der Wagen wieder abgelassen werden und probehalber gestartet werden. Während des Warmlaufes sollte der Ölstand anhand des Instrumentes und des Ölpeilstabes kontrolliert werden. Gegebenenfalls ist der Ölstand zu korrigieren.
Stimmt auch dieser letztendlich, kann eine Probefahrt vorgenommen werden. Natürlich wird sich vorher anständig gewaschen, niemand setzt sich ölig wie ein ErdÖlFerkel in seinen Elfer. Kurz vor Antritt der Fahrt müssen wir den Altölbehälter, den wir vorher hinter dem Auto haben stehen lassen mit dem Fuß wegschieben, weil wir uns die frischgewaschenen Hände nicht mehr einsauen wollen, wobei wiederum eine nicht zu vernachläsigende Menge Altöl die Pflastersteine versaut.
Bei der Probefahrt verfahren wir wie beim Kapitel Warmfahren, wobei wir besonders Wert darauf legen, daß auch die Nachbarschaft durch die Geräuschkulisse über die erfolgreich durchgeführte kleine Wartung informiert wird.
Ein abschließender Blick über den trockenen Motor, den zugesauten Hof und das überall noch verstreut herumliegende Werkzeug verschafft uns das nötige Hochgefühl, doch nun endlich den Sinn des Lebens gefunden zu haben.
Happy Schraubing